Weihnachtsbotschaft des Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus’ Kirill
Weihnachtsbotschaft
des Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus‘ KIRILL
an die Oberhirten, Hirten, Diakone, Mönche, Nonnen
und alle gläubigen Kinder der Russischen Orthodoxen Kirche
Im Herrn geliebte Oberhirten,
hochwürdige Presbyter und Diakone, gottliebende Mönche und Nonnen, liebe Brüder und Schwestern!
Herzlich gratuliere ich euch allen zum großen Fest der Geburt Christi.
In dieser lichten Nacht freut sich alle Schöpfung, denn es nähert sich und kommt heute der Herr, die Erwartung der Völker und die Erlösung der Welt (Kanon im Apodeipnon des Vorfestes der Geburt Christi). Die Menschen, die nach der Verbannung aus dem Paradies die Verbindung mit ihrem Schöpfer einbüßten, erwarteten das Kommen des Heilands viele Jahre lang, und vergaßen, wie erfreuend es ist, täglich die Gegenwart Gottes zu spüren und ganz nah Seine Stimme zu hören, die Möglichkeit zu haben, sich an Ihn zu wenden und sofort Antwort zu bekommen, zu wissen, dass du in voller Sicherheit bist, da der Herr neben dir ist.
Gerade dieses Spürens von Sicherheit, Geborgenheit und Gelassenheit mangeln wir sehr heute, da die verderbliche Seuche immer noch ihre Korrekturen in unser Leben einbringt, da es schwierig ist, etwas zu prognostizieren und Pläne zu machen, da Unsicherheit bezüglich des morgigen Tages uns in Spannung hält und Besorgnis erregt. In diesen komplizierten Umständen haben wir jedoch besonders markant die Zerbrechlichkeit des menschlichen Seins verspürt, sind uns bewusst geworden, dass wir jeden neuen Tag als das größte Geschenk Gottes schätzen sollen, haben begriffen, zu welch schwerer Last die ungewollte Einsamkeit wird und wie wichtig es ist, die Möglichkeit zu haben, sich regelmäßig mit seinen Verwandten und Mitmenschen persönlich zu begegnen.
Indem wir heute auf das in der Krippe liegende Christuskind, auf Seine Allreine Mutter und auf den gerechten Josef, ihren Verlobten, schauen, verstehen wir, dass nur die Liebe zu Gott und zu den Menschen fähig ist, uns in den verschiedenen Prüfungen zu stärken, die Angst aus unseren Herzen zu vertreiben, Kräfte für das Tun guter Werke zu geben.
Denn die Allheilige Gottesgebärerin befand sich auch an einem der bedeutendsten Momente ihres Lebens in bedrängenden Umständen – in einer fremden Stadt, in einer wüstenartigen Gegend, in der Höhle für das Vieh. Doch die elende Höhle erschien Ihr als ein wunderschöner Palast (Troparion des Vorfestes), weil die Liebe zum Sohn und Gott ihr Herz übererfüllte: diese Liebe wandelte alles rings herum und die Allreine Jungfrau merkte weder die Unbequemlichkeiten, noch die äußerste Armut der Höhle. Die Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber und die Zärtlichkeit zum neugeborenen Kind befähigte Sie, die Schwierigkeiten geringzuschätzen und in all den Umständen die gute Vorsehung Gottes zu sehen, die Ihr der Herr herabsandte. Wie unterscheidet sich dies von unserer Wahrnehmung der von Gott gegebenen Prüfungen, als Viele, beispielsweise, während des Lockdowns sogar ihr Zuhause als Gefängnis wahrnahmen, schwermütig wurden und alles nur schwarzgefärbt sahen.
Da wir heute in Gedanken vor der Krippe des Erlösers stehen, bei der zusammen mit dem Schöpfer die ganze Schöpfung – Menschen, Tiere, Engel, die Diener des Allheiligen und Dreisonnigen Morgenrotes (Kanon im 5. Ton am Montagmorgen) anwesend ist, lasst uns uns von der Liebe Gottes umarmt und mit Christus vereint erfahren. Lasst uns die Fesseln der Angst, des Misstrauens, der Unruhe und der Verzagtheit von der Seele abwerfen, die Stimme des Sohnes Gottes hören, der auf die sündhafte Erde kommt und zu Sich ruft alle, die niedergedrückt und belastet sind, indem Er ihnen Ruhe verspricht (Mt 11, 28). Er kommt – und lehrt uns so leben, dass die eingebüßte paradiesische Seligkeit erneut zur Realität wird, und sogar mehr – dass der Mensch auf eine unbegreifliche und geheimnisvolle Weise sich mit dem Herrn vereinen kann.
Der auf der Erde geborene Himmlische König (Stichiren des Festes) hat bereits alles für unsere Erlösung getan. Uns bleibt es nur übrig, seine Liebe zu anzunehmen und auf sie durch eigene Taten zu antworten: durch ein Leben gemäß den Geboten und durch Werke der Barmherzigkeit, durch starken Glauben und das Sehnen, mit Gott zu verweilen, durch die Bereitschaft, nicht nur reichliche Erbarmungen aus seinen Väterlichen Händen zu bekommen, sondern mit fester Hoffnung und Vertrauen zu Ihm diese oder jene Schwierigkeiten zu überwinden.
Meine Lieben, wieder und wieder gratuliere ich euch zur Geburt Christi. „Niemand ist ausgeschlossen von der Teilhabe an diesem Jauchzen, – bezeugt der hl. Leo der Große, – denn der Anlass zur Freude ist gemeinsam für alle. Möge der Heilige jauchzen, da er sich der Herrlichkeit nähert. Möge der Sünder sich freuen, da ihm die Vergebung geschenkt wird“ (1. Homilie zur Geburt Christi). Möge der Herr euch allen seelische und körperliche Gesundheit, unvergängliche Freude und Geistesfrische herabsenden, euch in den Werken, die ihr vollbringt, und im weiterem Fortschreiten auf dem Weg der Erlösung stärken. Amen.
† KIRILL
PATRIARCH VON MOSKAU UND DER GANZEN RUS‘
Weihnachten
2021/2022
Moskau